Insolvenzordnung: Großkommentare der Praxis Band – Teil 1 by Dr. Ernst Jaeger

Insolvenzordnung: Großkommentare der Praxis Band – Teil 1 by Dr. Ernst Jaeger

Autor:Dr. Ernst Jaeger
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Walter de Gruyter
veröffentlicht: 2015-06-15T00:00:00+00:00


8. Eigenverwaltung

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Die Eigenverwaltung wurde als besonderes Instrument der Sanierung von Unternehmen in die InsO aufgenommen und nutzt dazu Mittel, die früher in der VerglO zu finden waren. Der deutlichste Unterschied zum Regelinsolvenzverfahren besteht darin, dass die Verwaltungs- und Verfügungsmacht beim Schuldner verbleibt und nicht auf einen Insolvenzverwalter übergeht. Die Eigenverwaltung kann sich für Großunternehmen, aber auch für Freiberufler anbieten, weil sich etwa in der letztgenannten Fallgruppe auf diesem Wege eine Kollision mit berufsrechtlichen Regeln vermeiden lässt.1186 Der Schuldner ist aber nur unter der Aufsicht eines Sachwalters berechtigt, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Dazu muss das Insolvenzgericht in dem Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Eigenverwaltung anordnen (§ 270 I). Der Sachwalter hat die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben für die Lebensführung zu überwachen (§ 274 II), wird dadurch aber nicht zum Vermögensverwalter nach § 34 III AO und auch nicht zum Verfügungsberechtigten nach § 35 AO.1187 Der Antrag des Schuldners auf Eigenverwaltung hat schon Wirkungen für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Ist der Antrag nicht offensichtlich aussichtslos, so soll das Gericht im Eröffnungsverfahren davon absehen, dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot aufzuerlegen oder anzuordnen, dass alle Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Vielmehr ist ein vorläufiger Sachwalter zu bestimmen (§ 270a I). Die Eigenverwaltung steht unter zwei gesetzlich bestimmten Voraussetzungen. Die Anordnung kann nur ergehen, wenn die Eigenverwaltung vom Schuldner beantragt worden ist und keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird (§ 270 II).

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Hat der Schuldner den Eröffnungsantrag bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung gestellt und die Eigenverwaltung beantragt und ist die angestrebte Sanierung nicht offensichtlich aussichtslos, so bestimmt das Insolvenzgericht auf Antrag des Schuldners eine Frist zur Vorlage eines Insolvenzplans.1188 Wird im Anschluss die Eigenverwaltung angeordnet, können dabei für den Sachwalter vorläufige Maßnahmen nach § 21 I und II Nrn. 1a, 3 bis 5 angeordnet worden. Maßnahmen nach § 21 II Nr 3 sind anzuordnen, wenn der Schuldner dies beantragt (§ 270b II). Werden durch den vorläufigen Sachwalter aufgrund seiner Befugnisse Masseverbindlichkeiten begründet (§ 55 II und IV), sind sie im weiteren Verlauf des eröffneten Verfahrens als Masseverbindlichkeiten zu behandeln.

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Die insolvenzrechtlichen Vorschriften bleiben durch die Eigenverwaltung weitgehend unberührt. Die steuerlichen Insolvenzforderungen sind schriftlich beim Sachwalter zur Tabelle anzumelden (§ 270c). Aus steuerlicher Sicht ergeben sich ebenfalls keine wesentlichen Änderungen. Besondere Auswirkungen auf das Besteuerungsverfahren ergeben sich durch die Anordnung der Eigenverwaltung nicht.1189 Im Hinblick auf die Umsatzsteuer kommt es mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch bei der Eigenverwaltung zu einer Aufspaltung des Unternehmens in mehrere Unternehmensteile, zwischen denen einzelne umsatzsteuerrechtliche Berechtigungen und Verpflichtungen nicht miteinander verrechnet werden können. Allerdings bleibt der Insolvenzschuldner auch über die Insolvenzmasse verwaltungs- und verfügungsbefugt und ist daher auch Adressat der Steuerbescheide, aber auch in Prozessen weiterhin prozessführungsbefugt.1190



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